Schlagwörter
Attribution, Berard, Emotionen, external, internal, kontrollierbar, mangelhaft, Mathe, Motivation, stabil, unkontrollierbar, Ursache-Wirkung, vorübergehend, Weiner
Kennst Du das? Eine außergewöhnliche Situation und Du bist davon überzeugt, dass Du die Ursache für den Schlamassel bist. Alternativ könntest Du davon ausgehen, dass eine andere Person verantwortlich ist, oder die Situation oder es liegt an der Sache…
Was ich damit sagen möchte ist, dass wir Menschen ein ganz natürliches Verlangen danach haben Ursache-Wirkungsusammenhänge zu erklären. Warum habe ich die 5 in Mathe geschrieben? Warum habe ich meine Arbeitsstelle verloren? Warum habe ich im Lotto gewonnen, bzw. meistens nicht? Warum prügeln sich Kevin und Lennart? Der Grund: Wenn wir die Ursachen kennen, können wir in der Zukunft Ereignisse besser vorhersehen und entsprechende Gegenmaßnahmen planen. Es wird kontrollierbar.
Wenn Du Dich einmal an eine solche Situation zurück erinnerst und nachträglich in Dich „hineinhörst“, stellst Du wahrscheinlich fest, dass es gar nicht so einfach ist, festzustellen, wie wir Menschen zu unseren diesbezüglichen Schlüssen kommen. Bemühen wir noch einmal das Beispiel mit der 5 in Mathe (die Wirkung). Analtytisch betrachtet kommen verschiedene Ursachen dafür in Frage:
1. Ich habe nicht genug gelernt.
2. Ich kann Mathe einfach nicht.
3. Die Klassenarbeit war sehr schwer
4. Der Lehrer hat sie zu streng bewertet
4.1 … weil der Lehrer mich nicht mag
4.2 … weil der Lehrer einen schlechten Tag hatte
4.3 … weil der Lehrer sehr streng ist und uns viel abverlangt
5. Es war purer Zufall, dass ich eine 5 geschrieben habe
6. Ich hatte einen schlechten Tag
und so weiter 😉
Witziger Weise ist es so, dass wir Menschen in der Regel nicht so vorgehen, dass wir alle möglichen Ursachen für einen Sachverhalt herbeidenken, Wahrscheinlichkeiten einschätzen und dann statistisch-mathematische Methoden anwenden, um uns dann auf die plausibelste Ursache festzulegen. Stattdessen geht irgendetwas in uns ziemlich unbewusst und rasch vor und irgendwie kommt ein Schüler oder eine Schülerin beispielsweise zu der Überzeugung, dass da ein Problem mit dem Lehrer vorliegt. In der Fachsprache nennt man dies Attribution, man schreibt einer Wirkung eine Ursache zu.
In naturwissenschaftlichen Fächern attribuieren Mädchen bei schlechten Noten eher auf sich (internal), Jungen eher auf die Umstände (external).
Der US-amerikanische Psychologe Bernard Weiner hat die Attributionsforschung maßgeblich beeinflusst, in dem er drei Dimensionen einführte, auf denen Menschen attribuieren. Klingt ein wenig kompliziert, ist es aber erstmal nicht; jedenfalls solange es darum geht, es ganz grundsätzlich zu verstehen 😉
Nach dieser Dimensionstheorie ist es so, dass diese Ursachezuschreibung auf folgenden Dimensionen stattfindet und sich aus der jeweiligen Kombination Erklärungen für Eomtionen und Motivationen ergeben können. Zunächst aber die drei Dimensionen:
- internal vs. external
sehe ich die Ursache von etwas in mir (internal) oder in meiner Umwelt (external)? - stabil vs. vorübergehend
passiert das ständig (stabil) oder war es eher die Ausnahme (vorübergehend)? - kontrollierbar vs. unkontrollierbar
kann ich es beeinflussen (kontrollierbar) oder kann ich nichts dagegen tun (unkontrollierbar)?
Wie kann diese Dimensionstheorie nun im Alltag zur Anwendung kommen? Bleiben wir bei der 5 in Mathe, wenngleich bei einer Kündigung ähnliche Überlegungen aufkommen können.
internal: Es lag an mir.
external: Die Arbeit war viel zu schwierig oder die Umstände schlecht.
stabil: Überrascht hat mich die 5 nun wirklich nicht.
vorrübergehend: Die erste 5 in diesem Fach in meinem ganzen Leben.
kontrollierbar: Hätte ich doch nur mehr gelernt, dann wär’s anders gekommen.
unkontrollierbar: Mathe ist einfach nicht mein Ding – egal was ich mache!
Wenn man ein wenig darüber nachdenkt, stellt man fest, dass Herr Weiner ein tolles Modell auf die Beine gestellt hat, das jedem dabei helfen kann, eine Ursachenzuschreibung einmal analytisch zu überdenken. Das ist deshalb wichtig und interessant, weil sich aus der Kombination dieser Dimensionen das Zustandekommen von Emotionen und Motivationen erklären lässt.
Was passiert wohl bei dieser Kombination: external, stabil, unkontrollierbar?
Es lag nicht an mir. Es passiert ständig. Ich kann nichts dagegen tun. Eine zuversichtliche Emotion wird bei diesem Sachverhalt wohl nicht ausgelöst. Eher so etwas wie Wut oder Verzweiflung…
Was aber, wenn die „Dimensionierung“ nicht richtig ist? Wenn ich also nur den Eindruck habe, dass das ständig passiert oder mein Engagement im Vorfeld überschätze und deshalb der Meinung bin, dass ich schon alles für den Erfolg getan habe? Wenn ich bei näherer Betrachtung zu einer anderen Meinung komme, könnte sich die Kombination – wir sind noch bei der 5 in Mathe – umwandeln in internal, vorübergehend, kontrollierbar. Daraus entwickelt sich dann eine andere Emotion und vor allem eine andere Motivation: vielleicht Ärger über sich selbst und Arbeitseifer.
Das Tolle an dieser Dimensionstheorie ist, wie ich finde, dass es einem dabei hilft, zu reflektieren, warum bestimmte (negative) Emotionen entstanden sind. Denn so können wir durch Nachdenken vielleicht feststellen, dass wir auf einer der drei Dimensionen etwas falsch einschätzen und durch einen Umbau dieser Dimensionierung zu besseren Gefühlen kommen. Das wäre doch schön 🙂