Schlagwörter
Aggressionsforschung, Amsterdam, Computerspiele, Ego-Shooter, Jugendliche, Killerzone, Marije Nije Bijvank, Niederlande, Schüler, Schule
In vielen Jahren wissenschaftlicher Debatte sind eine Menge Fragen zu Gewalt in Computerspielen im Rahmen der Aggressionsforschung untersucht worden: Steigern Ego-Shooter die Gewaltbereitschaft von Heranwachsenden? Werden solche Spiele verteufelt und das Ganze ist in Wirklichkeit gar nicht so schlimm? Werden die Untersuchungsergebnisse falsch interpretiert („aggressive Menschen neigen dazu, Ego-Shooter zu spielen“ und nicht „Menschen, die Ego-Shooter spielen werden aggressiv“)? Verändern Gewaltdarstellungen in Computerspielen die Schwellwerte beim Menschen?
Die Kommunikationswissenschaftlerin Marije Nije Bijvank von der freien Universität Amsterdam hat hierzu ein aufschlussreiches Experiment in einer niederländischen Schule durchgeführt. Mehrere Tage lang bat sie halbwüchsige Jungen, sich 20 Minuten mit einem Computerspiel mit realistischer Gewaltdarstellung, wie zum Beispiel „Killerzone„, zu beschäftigen. Die andere Hälfte der Versuchsteilnehmer, ebenfalls männliche Jugendliche, sollten sich mit gewaltlosen Spielen, wie zum Beispiel Fußballsimulationen beschäftigen und bildeten somit die Kontrollgruppe.
Die entscheidende Phase des Experiments kam nach der Spielzeit.
Auf dem Computerbildschirm startete nun ein neues Spiel. Dabei sollte jeder Schüler möglichst schnell ein Quadrat anklicken, sobald dessen Farbe von rot zu grün wechselte. In einer anderen Schule würden Schüler zum gleichen Zeitpunkt versuchen, diesen Farbwechsel möglichst schnell zu erfassen und per Mausklick zu bestätigen. Somit würde einer der Schnellste und ein anderer der Langsamste sein. Zweiterer sei der Verlierer und würde über einen Kopfhörer mit einem lauten Ton bestraft werden! Der Sieger dürfe die Lautstärke bestimmen, erklärte die Forscherin den Schülern.
In dieser Phase des Experiments gab es natürlich nur einen Spieler; es ging lediglich darum, festzustellen, ob die Gewaltbereitschaft der Schüler, die zuvor den Ego-Shooter gespielt hatten höher war als bei den Jungs in der Kontrollgruppe, die sich zur selben Zeit mit Fußballsimulationen oder ähnlichem beschäftigt hatten.
Der Gewinner – der bestrafende Schüler also – konnte die Lautstärke des Tons, der auf dem Kopfhörer des Verlierers in der anderen Schule zu hören war, auf einer Skala von 1 – 10 festlegen. Probehalber wurden den Schülern die einzelnen Lautstärken auf dem eigenen Kopfhörer demonstriert und bei Stufe 8 schrien die Kids in der Regel auf. Die Psychologin erklärte, dass ab dieser Lautstärke bleibende Hörschäden entstehen können. Aber sie war sich sicher, dass die Jungs nicht soweit gehen würden.
Sie irrte. Viele der Jugendlichen, die zuvor das Gewaltspiel gespielt hatten, wollten ihre Gegner sogar mit Stufe 10 bestrafen – der Durchschnitt lag bei Stufe 9 – in der Kontrollgruppe bei Stufe 6…
„Ich weiß, dass er einen bleibenden Hörschaden bekommen kann, aber er verdient es!„, lautete ein typischer Kommentar aus der ersten Gruppe. Marije Nije Bijvank war sprachlos – und sie wird nicht die einzige sein, der es so geht.
Mehr Details zu diesem Experiment findest Du bei Bedarf hier (ScienceDirect.com).
Außerdem findest Du im Folgenden einige Links, die zu verschiedenen Online-Artikeln führen, die sich ebenfalls mit diesem Thema befassen.
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