Schlagwörter
Allgemeine, Apell, Beziehung, Botschaft, Friedemann, Kommunikation, Nachricht, Ohren, Psychologie, Sachebene, Schulz, Selbstoffenbarung, Thun, vier, von
Wer kennt die Situation nicht? Du hast irgendetwas gesagt, das einen anderen Menschen offenbar mächtig auf die Palme gebracht hat; hast aber selbst nicht den geringsten Hauch einer Ahnung, warum das so ist.
Pauschal lässt sich dieses Problem natürlich nicht lösen, aber Friedemann Schulz von Thun, der bis zum Jahr 2009 Professor im Fachbereich Psychologie der Uni Hamburg war, hat sehr interessante Ansätze entwickelt, die in solchen Situationen wirklich hilfreich sein können. In diesem Beitrag möchten ich denen, die noch nie etwas von den „vier Ohren des Menschen“ gehört haben, eine kurze Zusammenfassung über die Grundlagen der Theorie zur Verfügung stellen.
Was ist eigentlich eine Nachricht?
„Eine Nachricht ist eine Nachricht; A sagt oder schreibt etwas und B hört oder liest es!„, könntest Du jetzt sagen, und das wäre auch absolut richtig. Allerdings lässt es sich auch etwas weiter fassen. Denke beispielsweise an die Aussage „Man kann nicht nicht kommunizieren!“, einem der 5 Axiome von Paul Watzlawik.
„Schatzi, hol mir doch rasch ein Bier, ja?“ – In einer perfekten Nicht-Kommunikation von Schatz können ziemlich viele Botschaften enthalten sein, oder? 😉
Allerdings können solche Situationen, gerade in Partnerschaften oder Eltern-Kind-Beziehungen, einen weitaus ernsteren Charakter annehmen!
Man fragt sich, warum der andere einen nicht versteht oder warum der andere sich jetzt schon wieder aufregt oder warum der andere sich nicht einfach kürzer fassen kann oder der andere nicht einfach das tut, was man will oder der andere ….
Kommen wir zur ursprünglichen Frage zurück: Was ist eine Nachricht? Nach Friedemann Schulz von Thun besteht eine Nachricht unter anderem aus den folgenden vier Komponenten:
- einer sachlichen Botschaft innerhalb der Nachricht
- einem Appel an den Empfänger der Nachricht
- einem Beziehung-Aspekt zwischen Sender und Empfänger
- einer Selbstoffenbarung des Senders durch die Nachricht
„Toll, dass Du wieder den ganzen Abend vor Deinem Laptop rumhängst!„, könnte die junge Frau auf dem Foto in das Megaphone schreien. Damit stünde also die Nachricht laut und deutlich im Raum. Analysieren wir diese Nachricht einmal unter Berücksichtigung der vier Botschaftskomponenten:
Die sachliche Botschaft in der Nachricht lautet: Der Empfänger der Nachricht beschäftigt sich an diesem Abend mit seinem Laptop.
Der Apell, der in der Nachricht steckt lautet: Leg den Laptop zur Seite und schenke mir Aufmerksamkeit.
Auf der Beziehungsebene steckt folgende Botschaft in der Nachricht: Ich habe es verdient, dass Du Dich mit mir beschäftigst und mir Deine Aufmerksamkeit schenkst.
Die Selbstoffenbarung lautet: Ich bin enttäuscht und wütend, weil du dich mit dem Laptop beschäftigst, statt dich mit mir zu unterhalten.
In diesem Beispiel ist es – gerade auch durch die Visualisierung der Situation im Foto – nicht sehr schwierig, zu erkennen, wie die einzelnen Botschaften in dieser Nachricht lauten. Was aber würde passieren, wenn die junge Frau nicht schreien würde, sie einen ganz entspannten Gesichtsausdruck hätte und einen der folgenden Sätze sagen würde?
- Wie war dein Tag heute?
- Claudia hat sich ja einen Hund gekauft ….
- Ist das wichtig, was Du da tust?
- Ich wünschte ich wäre ein Laptop!
Oder was würde es bedeuten, wenn sie gar nichts sagen würde? Wäre in all diesen Fällen immer noch gut erkennbar, worum es ihr wirklich geht? Welcher Apell sich in der jeweiligen Nachricht verbirgt und wie die Frau sich fühlt? Weil das natürlich nicht so ist, gestaltet sich die zwischenmenschliche Kommunikation in der Regel etwas schwierig 😉
Lass Dir einfach diverse Situationen aus Deinem Leben noch einmal durch den Kopf gehen und überlege, wann Dich einfache Sätze wie zum Beispiel „Da vorne musst du rechts abbiegen!“ oder „Toll, dass Du auch schon da bist.“ oder „Ach, Du lebst auch noch?“ auf die Palme gebracht haben. Aber warum eigentlich?
Unsere vier Ohren
So wie wir als Sender einer Nachricht vier unterschiedliche Botschaften versenden, empfangen wir die Nachricht auch auf vier unterschiedliche Ohren, könnte man bildhaft sagen: dem „Sach“-Ohr, dem „Apell“-Ohr, dem „Beziehungs“-Ohr und dem „Selbstoffenbarungs“-Ohr.
Was möchte Dein/e Lebenspartner/in wohl mit der Aussage „Peter möchte den Rasen mähen und der Rasenmäher springt nicht an.“ zum Ausdruck bringen? Sollst Du etwas tun oder wirst Du gerade einfach nur informiert?
Wenn Du in dieser Situation besonders gut mit Deinem Sach-Ohr hörst, dann würdest Du vielleicht erwidern: „Hatte er denn schon mit dem Mähen angefangen?“
Wenn Dein Apell-Ohr gerade ganz aktiv ist, wirst Du vielleicht sagen: „Ich gehe gleich mal zu ihm und guck mir das Teil an.“
Wenn Du auf dem Beziehungs-Ohr hörst, sagst Du womöglich etwas wie: „Und warum erzählst Du das gerade mir?“
Wenn Dein Selbstoffenbarungs-Ohr besonders aktiv ist, sagst Du vielleicht: „Ja, ja, Peter und die Technik…“
Einen Streit provozieren
Und natürlich hast Du wie immer auch die Option des Nicht-Kommunizierens – und zwar weder verbal noch non-verbal. Diese Nicht-Kommunikation würde dann von Deinem Lebenspartner als Nachricht empfangen werden, und wenn feststeht, dass Du das Gesagte akustisch verstanden hattest, beginnt nun das Ratespiel auf den vier Ebenen. Das lässt viel Raum für Fehlinterpretationen und deshalb ist die Nicht-Kommunikation die effektivste Art, einen Streit vom Zaun zu brechen. Am Ende kann man sich dann auch noch mit Sätzen wie: „Ich weiß gar nicht, was Du willst. Ich habe doch gar nichts gesagt.“ prächtig aus der Affäre ziehen. 😉
Botschaften können implizit oder explizit sein
Die Nachricht: „Ich möchte, dass du deinen Laptop weglegst und mir zuhörst!“ beinhaltet einen sehr expliziten Apell; da gibt es keine zwei Meinungen. In der Nachricht „Schön, dass Du Dich so gut allein beschäftigen kannst.“ könnte der implizite Apell enthalten sein: „Leg das Ding jetzt weg.„, es könnte aber auch sein, dass es nicht ironisch gemeint war und der andere weiter machen soll, weil sich die Partnerin nun guten Gewissens ihrem Roman widmen kann. Wie will man das erkennen?
non-verbale Anteile einer Nachricht
Aus diesem Grund ist es wichtig zu beachten, dass Nachrichten neben der vier Botschaften auch eine Reihe non-verbaler Anteile besitzen: Mimik, Gestik, Körpersprache im Allgemeinen aber auch so etwas wie der Tonfall spielen bei der Interpretation einer Nachricht wichtige Rollen.
Abschließen möchte ich diese kurze Einführung in das Thema mit dem Fokus auf die Kongruenz von Botschaften, was bereits im Beitrag über den Double-Bild-Effekt thematisiert worden ist. Die Botschaften einer Nachricht sind dann kongruent, wenn alle Signale in die selbe Richtung weisen.
Wenn Dir jemand mit einem ganz freundlichen Gesichtsausdruck zum Beispiel sagt: „Ich bin total wütend auf dich! Ich weiß überhaupt nicht wohin mit meiner ganzen Wut, Du Blödmann!„, dann passt das schlicht nicht zusammen und Du würdest womöglich erwidern: „Was willst Du denn jetzt von mir?“ 😉