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Schon in der Schule hört man von den Jugendlichen in bestimmten Situationen die Aussage: „Tja, Gruppenzwang!„. Aber was ist das genau, in welchen Situationen tritt er ein und welche Auswirkungen hat dieser Zwang auf Dich persönlich? Um diese Fragen soll es heute Vormittag in diesem Artikel gehen.

Der Gruppenzwang wird auch Gruppen- oder Konformitätsdruck genannt, und damit ist der Auslöser gemeint, weshalb jemand seine Einstellung oder sein Verhalten gegenüber bzw. innerhalb einer bestimmten Gruppe verändert. Ein einfaches Beispiel für ein verändertes Verhalten: Warum schreie ich plötzlich während eines Fußballspiels im Stadion laut „Tooooooor!“, obwohl ich mich eigentlich kaum für diesen Sport interessiere und Fußball solche Emotionen bei mir normalerweise gar nicht freisetzt? Und ein Beispiel für eine veränderte Einstellung: Warum rede ich mit meinen Freundinnen und Freunden über eine bestimmte Person schlecht, obwohl ich diese kaum kenne und eigentlich noch gar keine richtige, eigene Meinung habe?

Woher kommt der Konformitätsdruck?

Die Ursache für den Gruppenzwang läßt sich auf verschienen Ebenen erklären. Zum einen trägt jeder Mensch das Bedürfnis in sich, von anderen Menschen akzeptiert zu werden, denn allein überlebt man auf dieser Welt nicht einmal die erste Lebenswoche. Dies bedeutet, dass wir eine Antipathie der Gruppe gegenüber der eigenen Person befürchten müssen, wenn wir anders sind als die anderen. Je mehr Leute Dich auf einmal beschimpfen oder schikanieren, desto übler ist die Auswirkung im eigenen Bauch… Die Folge: Wir passen unser Verhalten und unsere Einstellung der Gruppe oft schon vorsorglich an, weil wir sympathisch wirken und akzeptiert sein wollen. Fachleute sprechen hier von einem normativen Einfluss der Gruppe auf das Individuum.

Hinzu kommt die Tatsache, dass nicht jeder alles weiß und Nicht-Wissen gefährlich sein kann. Wenn ich nun auf eine Gruppe stoße, die ganz konkrete Vorstellungen und Meinungen zu einem bestimmten Sachverhalt zu haben scheint, dann ist es ja eine mögliche Lösung, mich dieser Gruppen-Meinung anzuschließen, um mein eigenes Informationsdefizit zu beseitigen. Hier sprechen Fachleute von einem informativen Einfluss der Gruppe auf das Individuum.

Der dritte sehr wichtige Einflussfaktor ist das eigene Selbstwertgefühl. Je mehr  positive Impulse ich von außen benötige, um mich meines eigenen Wertes – jeder Mensch ist wertvoll, allein weil er auf der Welt ist! – bewusst zu werden, umso mehr achte ich natürlich darauf, was ich veranstalten muß, um von den mich umgebenden Gruppen akzeptiert oder gar geliebt zu werden.

Welche Auswirkungen hat der Gruppenzwang?

Jede Erzieherin und Grundschullehrerin (meistens sind es Frauen) kann wahrscheinlich tolle Geschichten darüber erzählen, wie sich der Konformitätsdruck schon bei Kleinkindern auswirkt. Natürlich haben zahlreiche Wissenschaftler dieses Phänomen seit Jahren unter die Lupe genommen und viele Experimente durchgeführt, um Ursachen und Auswirkungen des Gruppenzwangs zu erforschen.

Als klassisches Experiment gilt das von Solomon Asch 1951 durchgeführte Konformitätsexperiment, das schon ziemlich witzige Auswirkungen des Gruppenzwangs aufzeigt. Bei diesem Experiment saßen einige Personen an einem Tisch, als eine weitere Person (die Versuchsperson) in das Zimmer kam. Der Versuchsperson wurde gesagt, dass es sich bei den anderen Leuten um weitere Versuchspersonen handle – in Wirklichkeiten waren es aber Vertraute des Versuchsleiters!

Die Aufgabenstellung: Als die Gruppe vollständig war, wurden mehrere Linien gezeigt, und die Aufgabenstellung bestand darin, festzustellen, welche zwei Linien identisch lang waren (siehe Abb. links: Ist die rote Linie so lange wie die Linie A, B oder C?) Während in der Kontrollgruppe, in der die Versuchsteilnehmer nicht manipuliert wurden, eine sehr hohe Treffsicherheit vorlag; die Fehlerquote lag bei nur 0,7%, machten die Versuchsteilnehmer in der Versuchsgruppe Fehler ohne Ende! Warum? Weil die Eingeweihten am Tisch (also alle anderen) einheitlich etwas Falsches behaupteten und sich die Versuchspersonen davon massiv beeinflussen ließen. Im Durchschnitt waren 37% der Antworten falsch, was eine 50-fache Verschlechterung der Antworten bedeutete.

Zum Titel dieses Artikels …

Wie man sich vorstellen kann, wurde das Experiment von Solomon Asch in den darauf folgenden Jahren häufig nachgestellt und variiert. 1970 führten zwei Forscher namens Latané und Darley ein weiteres, interessantes Experiment durch, bei dem untersucht wurde, wie weit der Gruppenzwang dazu führt, dass Menschen ihre eigene Gesundheit in den Hintergrund rücken.

Hierbei wurde die Versuchsperson zuerst allein in einen Raum gesetzt, in dem sie irgendwelche Aufgaben erfüllen sollte (Fragebogen ausfüllen oder ähnliches). Kurze Zeit später strömte aus einem Lüftungsschacht ein gefährlich aussehender weißer Rauch, was der Versuchsperson nicht entgehen konnte. Der Rauch war natürlich absolut ungefährlich. Was aber tut der Mensch, wenn er in Lebensgefahr zu sein glaubt? Richtig, er sieht zu, dass er Land gewinnt 🙂

Während nahezu alle Versuchspersonen wie selbstverständlich fluchtartig den Raum verließen, wenn sie allein darin saßen, passierte nun etwas ganz Interessantes, als man in weiteren Versuchen zwei zusätzliche Personen (Assistenten des Versuchsleiters) an den Tisch setzte. Diese beiden Personen sahen den Rauch natürlich auch, ließen sich davon aber nicht im geringsten beeindrucken. Sie zuckten die Schultern und arbeiteten weiter an ihren Fragebögen. Und was ist jetzt mit dem Gruppenzwang? Du ahnst es schon, die Versuchsperson bliebt sehr häufig sitzen – man will ja nicht als Angsthase gelten, oder?

Ich finde, dass die Theorien rund um den Gruppenzwang uns dabei helfen können, zu beurteilen, ob wir ein bestimmtes Verhalten an den Tag legen, weil wir das, was wir gerade tun, wirklich für richtig und gut halten oder ob wir gerade von unserem Gruppenzwang gesteuert werden. Und wenn uns der Gruppenzwang schon erfasst hat, sollten wir reflektieren, warum das so ist: Befürchte ich, dass man micht nicht mehr akzeptiert, wenn ich mich anders verhalte oder übernehme ich gerade bloß die Meinung der Gruppe zu einem bestimmten Thema, weil ich mich selbst noch nicht in ausreichender Form darüber informiert habe?

Das Wort zum Sonntag (passt ja ganz gut, heute) 😉

Sich solche Gedanken bezüglich des eigenen Verhaltens und der eigenen Einstellung zu machen, halte ich persönlich für ungemein wichtig, weil man sonst schnell zum Spielball seiner Umgebung werden kann…

Nachschlag, das Experiment von Solom Asch auf YouTube: